Article:
Fischlin, A., 1982. Analyse eines Wald-Insekten-Systems: Der subalpine Lärchen-Arvenwald und der graue Lärchenwickler Zeiraphera diniana Gn. (Lep., Tortricidae). Diss. ETH No. 6977, Swiss Federal Institute of Technology: Zürich, Switzerland, 294 pp.
Kurzfassung:
Es wurden zwei Hypothesen zur Populationsdynamik des Grauen Lärchenwicklers Zeiraphera diniana Gn. im subalpinen Lärchen- Arvenwald der Alpen modelliert: die abundanzdynamische Lärche-Lärchenwicklerhypothese und die Migrationshypothese in ihren beiden Varianten, der Konglobations- wie der Translokationshypothese. Gemäss der Lärche-Lärchenwickler-hypothese entstehen die regelmässigen Gradationen von Z. diniana durch folgenden ökologischen Mechanismus: Auf starken Frass durch Raupen von Z. diniana reagiert die Lärche so, dass sie in den Folgejahren nur noch Nadeln hervorbringt, die fur die Insekten eine minderwertige Nahrung darstellen. Dadurch werden Mortalitat und Fekunditat von Z. diniana derart verandert, dass die Population abnimmt. Erst nach einer mehrjahrigen Erholungsphase der Lärche wachsen auf ihr Nadeln, die es der Lärchenwicklerpopulation wieder erlauben anzuwachsen. Nach der Migrationshypothese wird die Populationsdichte von Z. diniana auch durch Ein- und Ausflug von Faltern beeinflusst. Gemäss der Konglobationshypothese entstehen die Massenvermehrungen von Z. diniana u.a. durch ständigen Einflug von Faltern, die aus einem grossen Einzugsgebiet stammen, in dem nur selten Massenvermehrungen stattfinden. Laut der Translokationshypothese entstehen die Massenvermehrungen von Z. diniana u.a. durch zyklischen Einflug von Faltern, die aus einem Massenvermehrungsgebiet stammen.
Die Simulationen des Modelles fur das Oberengadin zeigen, dass schon allein mit dem abundanzdynamischen Lärche-Lärchenwicklermodell der asymptotisch stabile Grenzzyklus des realen Massenwechsels von Z. diniana erzeugt werden kann. Beim heutigen Wissenstand wird deshalb der Lärche-Lärchenwicklerhypothese vor den andern abundanzdynamischen Hypothesen, der Antagonisten- und der Polymorphismushypothese, der Vorzug gegeben. Die Sensitivitätsanalyse des Lärche-Lärchenwicklermodelles führt zum Schluss, dass durch die Mitberücksichtigung dieser anderen Hypothesen im Sinne der Gradocönhypothese die verbleibenden, kleinen Differenzen zwischen dem Verhalten des Lärche-Lärchenwicklermodelles und dem realen Systemverhalten auch noch erklärt werden konnten.
Der Miteinbezug der Migration macht das Modell nur geringfügig realistischer. Das Flugverhalten des Lärchenwicklers ist so beschaffen, dass bei natürlichen Populationen die Migration lediglich eine starke Durchmischung der Lärchenwicklerpopulationen zur Folge hat, ohne dass dadurch die Populationsdichte wesentlich beeinflusst wird. Die Migrationshypothese wird in Form der Tranlokationshypothese als moglicherweise zutreffend angesehen, doch als nebensächlich eingeschätzt, was die Ursachen der asymptotisch stabilen Lärchenwicklergradationen betrifft. Die Rolle der Migration ist trotzdem nicht unbedeutend; denn allein durch sie kann die grosse Resilienz des Lärchenwicklersystems erklärt werden.
In weiteren Simulationen wurde untersucht, wie sich grossräumige und wiederholte Bekämpfungsaktionen mit Hilfe von Bacillus thuringiensis (BT) und Parapheromonen auf die Populationsdynamik von Z. diniana auswirken:
Die Simulationen zeigen, dass bei einer Bekämpfung mit BT der sichtbare Frassschaden eine zeitlang unterdrückt werden kann. Es kann aber nicht verhindert werden, dass trotzdem früher oder später eine Lärchenwicklermassenvermehrung stattfindet. Die Lärchen sind zusätzlich zur Gefahr eines Kahlfrasses einem mehrjährigen schwelenden Stress ausgesetzt. Dies bedeutet, dass weder der Holzzuwachsverlust noch das Absterben der Lärchen vermindert werden konnten. Vielmehr ist damit zu rechnen, dass durch die Bekämpfung mit BT das Risiko des Absterbens von Lärchen erhöht wird. Vom forstwirtschaftlichen Standpunkt aus gesehen scheint auf Grund dieser Ergebnisse eine Bekämpfung mit BT nicht nur in Bezug auf den verbleibenden, allein ästhetisch störenden Schaden unverhaltnismässig teuer zu sein, sondern für die Lärchen sogar eine zusätzliche Gefahr darzustellen.
Die Bekämpfung des Lärchenwicklers mit Parapheromonen scheint aussichtsreich zu sein, falls ein genügend grosses Gebiet, in das nur wenig Falter einfliegen, jedes Jahr behandelt wird.
Selbst wenn das Unwahrscheinliche gelänge, nämlich den Lärchenwickler in einem ganzen Tal der Alpen auszurotten, so ist die Resilienz des Lärchenwicklersystems derart gross, dass es sich innert zwei Jahren wieder genau gleich verhält, wie wenn der Lärchenwickler nie ausgerottet worden wäre. Allfällige Bekämpfungsaktionen liessen sich deshalb nie auf wenige Jahre beschränken, sondern es müsste mit einer ständigen Wiederholung derselben gerechnet werden.
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